1916 Antonius Glowsky 1.1.3.3
Anton wurde genau wie seine Schwester Margarethe, an einem 26. Januar geboren, aber zwei Jahre später als seine Schwester, im Jahre 1916, ebenfalls in der Selmer Heide 115 (heute Nr. 34) im Schönewald/Glowsky Haus. Anton erlernt im Schneidereibetrieb seines Onkels Josef 1.1.4 das Schneiderhandwerk. Der „Lehr-Brief“ wurde ihm mit Datum vom 19.09. 1933 ausgestellt. Der Betrieb befand sich in der ehemaligen Wasserburg, Freiheit Wolfsberg, im ersten Stock links, im Zentrum von Lüdinghausen, dort bleibt er auch noch nach Beendigung der Lehre weiterhin tätig, bis er in den Arbeitsdienst, vom 01.08.1934 – zum 25.03.1935, einberufen wird. Von April 1935 ist Anton für 4 Monate bei Alex Maibaum in Selm-Beifang und danach für 17 Monate bei Theo Baumann in Selm beschäftigt. Von Feb. – Okt. 1937 macht er als Schneidergeselle eine Weiterbildung bei dem Bezirksmeister Bernh. Buller in Laer, Dorf 230, bei Münster. Im Nov. 1937 wird er zur Wehrmacht einberufen und wird dort in einer 1-jähriger Ausbildungzeit zum Schütze ausgebildet. Beim Lesen all dieser Unterlagen beschleicht mich immer noch ein gewisses Unwohlsein. Trotzdem ist es mir sehr wichtig, dieses Wissen der Nachwelt zu erhalten damit niemand glaubt das Kriege schon mit dem Schweigen der Waffen, oder einem Friedensvertrag bendet sind.
In Kolberg/Pommern war seine Kaserne, wo er auf einem Horch-Halbkettenfahrzeug seinen Führerschein machte. Bevor Anton in den Krieg gegen die Sowjetunion einrücken musste, war er für kurze Zeit im Elsaß. Von April 1940 – Okt. 1942 war er Nachrichtenunteroffizier, mit dem Dienstgrad Obergefreiter. Als er einmal des Nachts als Wachposten in Demjansk eingeteilt war, bekam er seinen „Heimatschuß“. Ein Granatsplitter, schlug von vorne in seine linke Schulter ein. Mit einer Ju-52 wurde er zuerst aus dem Kessel Demjansk nach Riga ausgeflogen. Die operierenden Ärzte haben Anton diesen Splitter überlassen. Jahrzehnte lang lag dieses Metallstück in der Schublade seiner Phönix-Nähmaschine, bis ich Erbe dieses Kriegsschrotts wurde. Die Wandstärke der zerborstene Granate war 13 mm dick. Der Splitter wiegt 52 Gramm und hat eine Höhe von 63 mm und eine Breite vo 31 mm. Im Fragebogen zur Entnazifizierung im August 1946, antwortet mein/unser Vater auf die Frage nach Militärische Orden wie folgt:
1.) Infantrie-Sturmabzeichen am 18.09.1941.
2.) E.K. (eisernes Kreuz) 2. Klasse 11.10.1941.
3.) Ostmedaille, oder besser bekannt als „Gefrierfleischorden“, verliehen am 23.07.1942.
4.) Verwundeten Abzeichen am 09.05.1943.
5.) Demjanskschild im Juni 1944.
Anfragen von Militariersammlern verbitte ich mir hiermit, ausdrücklich!
Nach einem ersten Lazarettaufenthalt in Pommern, durfte Anton, als noch kriegsuntauglicher Soldat, zuerst mal für kurze Zeit zurück in sein Elternhaus. Alsbald ging es dann mit der Deutschen Reichsbahn nach Wernigerode/Harz, wo er in dem zum Lazarett umfunktionierten Hotel zum Bären, für einen erneuten Kriegseinsatz fit gemacht werden sollte. Mit großem Hunger, so wurde mir erzählt, stand er oft mit leerem Teller in der Tür zur Hotelküche und bekam von der Köchin einen Nachschlag. Einmal stand auch die 24-jährige Tochter der Köchin in der Küche. Ob es Liebe auf den ersten Blick war, kann ich nicht sagen, weil darüber nie gesprochen wurde. Die Köchin wohnte mit ihrer Tochter Liese-Lotte schräg gegenüber vom Lazarett zum Bären, auf der Breitestraße Nr. 57/59. Es gab auch mal Tage der Trennung, wenn „Lo“ als Flackhelferin auf Horchposten in Bremen eingesetzt war. Aus den beiden wurde ein Paar. Um überhaupt heiraten zu dürfen, mußte sich Liese-Lotte beim Staatlichen Gesundheitsamt in Wernigerode gemäß des § 1 des sogenannten Ehegesundheitsgesetzes vom 18.10.1935 und der (vermutl. verschärften) Zweiten Verordnung vom 22.10.1941, eine Eheunbedenklichkeitsbescheinigung besorgen, die ihr am 28.09.1944 ausgehändigt wurde. Und da war noch eine weitere Hürde für sie zu nehmen. Um im kath. Dorf Selm überhaupt Fuß fassen zu können, mußte sie zuvor konvertieren. Die Standesamtliche Trauung war am 23.12.1944 und die kirchliche Hochzeit zwei Tage später am 25. Dezember in der kath. Kirche St. Marien, Sägemühlengasse, in Wernigerode. Diese frische Vermählung verschaffte dem Paar eine Wehrdienstpause, mit dem vom Staat erwünschten Ziel, dass die Braut alsbald schwanger werden sollte, bevor der frisch verheiratete Soldat erneut an die Front geschickt wird. Und zu unser aller Glück klappte das nicht auf Anhieb. Am 08. Mai 1945 kapitulierte Nazideutschland bedingungslos. Wernigerode lag nun in der Sowjetzone. Per Dekret wurde der aus Westfalen stammende Soldat, aus der SBZ ausgewiesen.
Der Selmer Einwohnermeldekarte kann ich entnehmen, dass Anton nach nur 6 Tagen Aufenthalt im Gefangenenlager Eutin, am 10. Juni 1945, aus dem Heer entlassen wurde und von dort aus direkt den Weg in sein Elternhaus in die Selmer Heide nahm. Vier Monate später, im Oktober 1945, so steht es in der Meldekarte, kommt Anton mit seiner Ehefrau Liese-Lotte, von ihrer elterlichen Wohnung Breitestr. 57/59, in Wernigerode, erneut in sein Elternhaus zurück. In der Selmer Heide 115 wird das erste Kind im September 1946 geboren.
Der Schwerbeschädigte Anton Glowsky, so wird ihm bescheinigt, hat vom 10.10.1947 bis 23.02. 1948 an einem Vorbereitungslehrgang zur Ablegung der Meisterprüfung in Maria-Veen teilgenommen. Am 24.März 1948 besteht er diese Meisterprüfung im -Herrenschneider- Handwerk. Seine selbstständige Tätigkeit, die er seit dem 13.05.1947 in seinem Elternhaus ausübt, scheint für eine Familie nicht genug Geld einzubringen und darum beendet er seinen Gewerbebetrieb am 01.08.1951. Bereits seit dem Frühjahr 1948 bewohnen Anton, seine Ehefrau mit Tochter Annegret eine Zweizimmer-Mietwohnung im ersten Stock und einem Klo auf dem Hinterhof bei Schlierkamp in Selm-Ondrup, wo ich im Juni 1948 geboren bin. Am 03.08.1951 bewirbt sich Anton auf eine Stellenausschreibung als Schneider bei der Polizei in Bork, auf dem ehemaligen Gelände der MUNA. Am 16.08.1951 kommt die Absage vom Innenministerium aus Düsseldorf. Ich höre heute noch unseren Vater sagen:“Wenn er diese Anstellung bekommen hätte, dann wäre er aus dem Schneider gewesen“ (Sprichwort). Bei den Vereingten Aluminium Werken VAW in Lünen-Lippolthausen findet er Arbeit und von da ab kommt das Geld regelmäßig, aber mäßig. Für unseren Vater waren die Gesamtumstände gefühlt, ein sozialer Abstieg.
Als nun schon 5-köpfige Familie ziehen wir im November 1955 nach Lünen in eine Neubau-Werkswohnung um, die auch ein richtiges Badezimmer hat. Es besteht die Option, das Reihenmittelhaus nach einer gewissen Karenzzeit kaufen zu können. Damit verbesserte sich unsere soziale Absicherung enorm. Unser Vater behielt diese Arbeitsstelle bis zu seiner (Früh-) Verrentung mit 63 Jahren.
In der Ehe meiner/unserer Eltern wurden in einem Zeitraum von etwas über 10 Jahren, zwei Töchter und zwei Söhne geboren, wobei unser jüngere Bruder Christian 1.1.3.3.3, kinderlos und unverheiratet blieb. Neue Familiennamen, die nach der Heirat meiner Schwestern anstelle von Glowsky traten, sind: Grabbe, Mann, Niemeyer und Warth.
Im 75sten Lebensjahr erleidet Anton eine Darmperforation. Eine Notoperation bewahrt ihn zwar vor dem sicheren Tod, aber er erholt er sich nicht mehr wirklich von diesem Durchbruch. Im September 1995 wird er noch einmal ins Marien Hospital in Lünen eingeliefert und findet dann, wegen seiner Pflegebedürftigkeit, nur kurzfristig in RE-Suderwich, in einem neu erbauten Altenheim eine letzte Unterkunft. Am 23.10.1995 verstirbt Anton im Krankenhaus in Recklinghausen.