1883 Johann Georg Glowsky 1.1.3
Mein Großvater wird am 06.04.1883 im Schönewald/Glowsky-Haus, Selmer Heide 115 geboren. Zuerst beginnt er eine Konditorlehre. Am 15.04.1912 heiratet er die 6 Jahre jüngere in Olfen geborene Näherin Anna Pago. Die beiden hatten sich auf der Selmer St. Fabian & St. Sebastian Kirmes kennen gelernt. Wegen einer Mehlkrätze muss er den Beruf aufgeben. Danach absolviert er eine Kaufmannslehre, wird Manufakturwaren Händler und handelt mit diversen Kleidungsstücken und Stoffen. Er kauft Inletts ein, die meine Großmutter Anna zu Oberbetten und Kopfkissen zusammen näht. Die Federn zum Füllen der Inletts bezieht Georg von der Bettfedern-Fabrik Hermann Stücke & Co. in Minden. Von der Firma R. Kornmann & Co. in Gera bezieht er Stoffe. Weil mein Opa im Juli 1925 eine Forderung über 957,80 Reichsmark nicht rechtzeitig begleicht, erzielt die Firma bei der ersten Civilkammer des Thüringischen Landgerichts zu Gera einen Kostenfestsetzungsbeschluß. In der Selmer Heide Flur 5 wurden die Grundstücke 476/134 mit 650,-RM und 293/134 mit 433,78 RM belastet. Am 23. Mai 1928 wird die Löschung der Sicherungshypothek aus dem Grundbuch bewillig. Danach beliefert die Firma Kornmann & Co. meinen Großvater so lange wieder, bis er mit Jahresende 1939 seine Handelstätigkeit beendet. Sein letztes Geschäftsbuch habe ich 2019 in einer Kommode in dem ehemaligen Schweinestall seines Elternhauses gefunden und in meinem Besitz genommen. Mit einem Opel Herrenrad, ausgestattet mit 2 Gepäckträgern (vorne & hinten), liefert er die Waren an seine Kundschaft aus. Schon zwei Jahre nach der Hochzeit, also 1914, überschrieben ihm seine Eltern das Haus in der Heide, das erst 4 Jahre zuvor abgebrannt war. Georg muß, laut Grundbuch, seine Geschwister auszahlen. In 16 Jahren werden 3 Töchter und 3 Söhne geb. Der jüngste Sohn August, darf 1937, als 17-jähriger, mit einer Sondergenehmigung den PKW Führerschein machen, um seinen führerscheinlosen Vater mit einem DKW, Typ Meisterklasse, zu den Großhändlern und anschließend zu den Kunden zu fahren. Nachdem die Wehrmacht 1939 den Angriffskrieg auf Polen begonnen hat, wird bald darauf der Geschäftswagen von der Militärverwaltung konfisziert. Der Zweitakter kommt aber nicht zum Einsatz, weil er für einen Russlandfeldzug völlig ungeeignet ist. Eine Rückabwicklung war gar nicht vorgesehen, aber Georg hätte sein ehem. Eigentum zurück ersteigern können. Im Alter von 56 Jahren hat er seine Kaufmannstätigkeit eingestellt. Fortan hat die Familie als Selbstversorger und vom Verkauf von Agraartikeln, Kleinfieh, Vermietung und Verpachtung gelebt.
Als absehbar war, dass die Royal Air Force bald auch Selm bombardieren wird, baute Georg seiner Familie im eigenen Garten einen Erdbunker. Das Know-how hatte er sich im ersten Weltkrieg im Stellungskrieg erworben. Die für den Bau benötigten Buchenstämme, verschaffte er sich bei seinem quasi Grundstücksnachbarn Graf von Wedel, aus dem Sandforter Busch. Wenn meine Großeltern verbotener Weise die Nachrichten des Feindsenders aus ihrem Volksempfänger mithörten, dass die Royl Air Force das Ijsselmeer schon überflogen und bald Dülmen in Westfalen erreichen wird, wurden in aller Eile alle Fenster und Türen des Hauses aufgerissen und anschließend Schutz im privaten Bunker gesucht. Nie wieder Krieg (dieser Spruch aus der Nachkriegszeit blieb leider nur ein frommer Wunsch)!
Nachdem meine Großmutter Anna „am 02.12.1964, im Alter von 75 Jahren, nach langer Krankheit (im Lüdinghausener KH) verstarb“, wohnte mein Großvater Georg fortan im Josefs Altenheim in Selm-Beifang. Im heißen Sommer 1971 wurde er ins KH Lüdinghausen eingeliefert, verstarb dort im Alter von 88 Jahren, am 19.07.1971 und wurde in Selm begraben. Am Ende seiner „Liegezeit“ habe ich seinen Grabstein nach Castrop-Rauxel, in unseren kleinen Garten geholt, wo auch schon der Grabstein seines Bruders Josef 1.1.4 einen neuen Abstellort gefunden hat.